Mittwoch, 18. November 2015

Barschangeln im Dienste der Wissenschaft

"Ich bin Forschungsangler" - Erinnerungsstück an einen unvergesslichen Angeltag.

Am 16.10.2015 wurde ich vom IGB zum Forschungsangeln eingeladen. Die genaue Lage des Gewässers darf nicht veröffentlicht werden. Aus diesem Grund beschränke ich mich in diesem Bericht auf die Technik und Durchführung des Versuchs.

Die Witterungsbedingungen waren an diesem Tag schwierig. Es hat den Vormittag geschüttet wie aus Gießkannen. Erst gegen Mittag ließ der Starkregen nach. Dann zeigte sich der See von seiner spiegelglatten Seite. Was im Anschluss folgte, verschlug mir fast die Sprache. Doch seht selbst!

Morgens um 09:00 Uhr trafen wir uns mitten im Wald vor der abgesperrten Anlage. Neben mir wurden noch drei weitere Versuchsteilnehmer eingeladen, jeder hatte sein eigenes Spezialgebiet. Allround-Angler, Raubfisch-Experten und Meeres-Profis waren gleichermaßen vertreten. Während die nebelverhangenen Wolken über dem Erlenbruch schwebten und der Regen unaufhaltsam herabfiel, unterhielten wir uns in einer kleinen Fischerhütte über den Versuchsablauf. Jeder Teilnehmer bekam eine standardisierte Angelausrüstung mit drei unterschiedlichen Ködertypen. Pro Angler stand ein Boot mit Elektromotor zur Verfügung. Gewässerinformationen bekamen wir hingegen nicht! Weder Karten, noch Echolote oder sonstige Hilfsmittel. Einzig allein unsere Angler-Intuition sollte uns zum Fisch verhelfen.

Standardisierte Angelausrüstung mit drei verschiedenen Ködern, Fluorcarbon, Zange, Schere, Stoppuhr und Walkie Talkie.

Nachdem jeder Angler auf sein elektromotorisiertes Boot gestiegen war, ging es los. Im Vorfeld sollten wir unsere Erwartungen in einem Heft eintragen. Spätestens jetzt wurde mir bewusst, dass auch wir Angler wie Laborratten im Fokus der Forschung standen. Für meine 100%ige Zufriedenheit notierte ich 5 Barsche mit einer Gesamtlänge von 30 cm. Bei einer realistischen Einschätzung ging ich von 3 Barschen mit 25 cm Maximallänge aus. Mein Tagesziel stand also fest! 

Barschangeln im Dienste der Wissenschaft - "Das Angeltagebuch" enthielt auch Fragen zu unserer Persönlichkeit.

Einen Tag zuvor hatte ich mir im Angelladen extra einen wetterfesten Thermo-Anzug gekauft, der zwar etwas groß ausfiel, mir aber ein entspanntes Barschangeln ermöglichte. Mein Boot hatte die Nummer #2 und einen Campingstuhl als Markenzeichen. Dieser gemütliche Stuhl war auch der Grund für einen Methodenwechsel, nachdem ich die erste Stunde vergeblich alle Wasserschichten mit dem Spinner absuchte. Obwohl die Spinner von Mepps hervorragende Barschköder sind, wollte an diesem Vormittag einfach nichts beißen. Dann ging auch noch meine Rolle kaputt. Beim Einkurbeln blockierte das Kugellager und trieb mich bei strömenden Regen fast in den Wahnsinn. Für einen kurzen Augenblick fragte ich mich, warum ich nicht im Bett geblieben bin. Schließlich schwänzte ich die Uni für einen Angelausflug bei Dauerregen mit ungeahntem Ausgang. Meine Motivation war im Keller und ich versank im Campingstuhl.

Pachtgewässer des IGB nach dem Dauerregen. Schwer erkennbar ist die aus dem Wasser ragende Messstation.

Demotiviert und hundemüde entschied ich mich für einen Köderwechsel, den ich selbstverständlich in mein liebes "Angeltagebuch" eintrug, wie nahezu alles, was ich den Tag angeltechnisch so trieb. Spinner ab, Gummifisch ran, Köderwechsel mit Uhrzeit im Heft notiert. Wie ihr vielleicht wisst, fische ich ausschließlich mit Finesse Rigs, also überwiegend mit der Drop Shot Montage auf Barsch. Unsere eigenen Montagen und Köder durften wir leider nicht verwenden. Und so mussten wir den ganzen Tag über mit einer schwabbeligen Spinnrute aus der Ukraine fischen, auf die eine geflochtene 0,13er Schnur gespult war. Als Vorfach diente uns 0,32er Fluorcarbon mit vorgeschaltetem Wirbel.

Kaum Strukturen erkennbar - Die Suche nach Hot Spots gestaltete sich ohne Echolot etwas schwierig.

Der See hatte kaum Struktur, jedenfalls auf den ersten Blick. Überall waren Detektoren verankert, die wir nicht anfahren durften. Den gesamten Vormittag verbrachte ich lethargisch umhertreibend in einer Bucht, die ich mir zuvor ausgeguckt hatte. Meine Demotivation verhalf mir um 11:35 Uhr sogar zum ersten Fisch. Ich konnte kaum einkurbeln, weshalb ich den Köder nur vertikal über den Gewässergrund treiben ließ. Beim ersten Biss dachte ich an einen Hänger. Umso schöner war das Gefühl, als sich plötzlich ein 33er Barsch an die Oberfläche pumpen ließ. Das war nicht nur der erste Fisch des Tages, sondern auch ein Schlüsselerlebnis für alle weiteren Entscheidungen, die ich im Anschluss treffen sollte. Da mein Walkie Talkie ebenfalls defekt war, musste ich zurück zur Forschungsstation fahren, um den Fisch messen zu lassen. Normalerweise sollten die Wissenschaftler zu uns kommen. Ich nutzte die Gelegenheit, um die Standard-Ausrüstung umzutauschen. Jetzt hatte ich eine funktionierende Rolle, ein neues Walkie Talkie und einen Plan. Man sagt immer, dass jener Angler Recht hat, der Fische fängt. Und wenn ein Angler erst die richtige Technik für sich herausgefunden hat, geht es Schlag auf Schlag weiter. Nun war auch meine Motivation wieder zurück!

Eine Stunde später rappelte es erneut in meiner Schwabbelrute. Ich hatte kaum etwas an meiner Technik verändert. Intuitiv hatte ich vertikal die gesamte Bucht nach Vertiefungen, Erhebungen und Kanten abgesucht. Der Elektromotor war dazu ideal. Ein 38er Barsch ließ sich kurz darauf mit dem Kescher landen. Mit einer Boje markierte ich den genauen Fangplatz. Nun wusste ich, dass mehr drin war. Nur wenige Minuten nach der Vermessung und dem Auslesen des Chips angelte ich weiter, bis es wieder einen kräftigen Ruck gab. Kurz vor der Mittagspause attackierte ein kapitaler Fisch meinen Köder auf dem Grund des Forschungssees. Spannend an diesem Gewässer war auch die Ungewissheit, um welche Spezies es sich als nächstes handeln würde. Seit Anfang der 90er Jahre befand sich das Gewässer in den Händen des Leibnitz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Manche Angler vermuteten gar mutierte Riesenbarsche in diesem geheimnisvollen Freiland-Labor. Leider stieg der kapitale Brocken nach wenigen Flossenschlägen wieder aus, was mich nicht daran hinderte, den Köder erneut zum Gewässergrund trudeln zu lassen. 

Mir blieben noch wenige Minuten bis zur Mittagspause, dann attackierte der Flossenträger erneut meinen Köder. Nun hatte ich die 40er-Marke endgültig geknackt. Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als sich ein 42er Barsch an die Wasseroberfläche pumpen ließ. Nach der Messung (Gewicht, Länge und Chip) wurde noch ein kurzes Erinnerungsfoto geschossen. Dann verschwand der Bursche wieder unbeschadet im See.

42er Barsch kurz vor der Mittagspause - mein Tagesziel hatte ich damit weit übertroffen!

Nun war ich zufrieden! Ich hatte meinen PB an einem Vormittag geknackt. Nach dem Essen wurden wir einzeln interviewt. Spannende Fragen, die natürlich auch die Persönlichkeit der Angler erfassen sollten. Bei dem Fang- und Wiederfangexperiment ging es also nicht nur um das Verhalten der Barsche, sondern auch um das Verhalten ihrer Fänger. Unsere Boote waren alle mit GPS-Sendern ausgestattet, wodurch sich unsere Fahrruten punktgenau am Bildschirm nachverfolgen ließen. In Korrelation mit den GPS-Daten der Fangplätze und den markierten Barschen ist diese Studie einzigartig. Zum ersten Mal wurde dieser See für externe Angler freigegeben. Vorherige Experimente wurden meist mit anderen Methoden durchgeführt. Somit war es auch für uns Angler ein unvergessliches Erlebnis. 

Normalerweise würde man als Studienteilnehmer eine Aufwandsentschädigung erwarten. Hier war es jedoch so, dass jeder Angler freiwillig an diesem einzigartigen Forschungssee fischen wollte. Leider wurde unsere Gruppe zu einem Zeitpunkt eingeladen, der vier Wochen hinter den ersten Angelversuchen lag. Insgesamt nahmen wohl um die hundert Probanden am Experiment teil. Es bleibt abzuwarten, welche spannenden Ergebnisse und Schlussfolgerungen sich daraus ergeben werden.

Doch nun zurück zum Angeltag. Nach der Mittagspause war das Forschungsangeln noch lange nicht vorbei. Die anderen Angler befanden sich bereits auf dem Wasser. In der Pause tauschten wir uns über Methoden und Techniken aus. Für mich ging es im Viertelstundentakt weiter. Auf einen 35er folgte ein 32er Barsch. Beide Fische holte ich vertikal mit Gummi aus ihrem Versteck. Und dann war es endlich soweit. Zufrieden versank ich im Campingstuhl, die Wasseroberfläche war spiegelglatt, in der linken Hand hielt ich ein Stück Mandelgebäck. Genügsam und faul bewegte ich den Gummiköder am Bleikopf (Riptor von Profi Blinker) in Millimeterarbeit über den Gewässergrund, sodass ich noch genügend Kontakt zur Schnur hatte. Plötzlich bemerkte ich einen harten Widerstand. Die ukrainische Schwabbelspitze krümmte sich in Richtung Wasseroberfläche. Das Mandelgebäck fiel zu Boden. Ein kurzer Anhieb verankerte den Haken sicher im Maul. Der Drill dauerte einige Minuten und ich vermutete einen kapitalen Barsch am anderen Ende der Leitung. Für einen Hecht waren die Fluchten nicht geradlinig genug. Als sich das Seemonster an der Wasseroberfläche zeigte, stockte mir der Atem. Der Kopf war mit Pickeln übersät. Die Flanke war dunkel und so gewaltig, dass ich schlucken musste. Ein klodeckelartiger Brassen mit hohem Rücken und Laichausschlag kam diesem Großbarsch näher, als seine tatsächlichen Verwandten. Wieder hatte ich meinen PB geknackt und einen Fisch gefangen, von dem ich jahrelang in unseren überfischten Gewässern rund um Berlin geträumt hatte. Das Maßband zeigte knapp 45 Zentimeter und die Waage blieb bei ca. 1,36 kg stehen.

45er Prachtbursche kurz nach der Mittagspause auf Gummi - PB innerhalb weniger Stunden 2x geknackt :)

Eigentlich hatte ich schon nach dem 42er Barsch zufrieden mit dem Forschungsangeln abgeschlossen. Der 45er war hingegen das i-Tüpfelchen eines perfekten Angeltages. Doch selbst das war noch nicht alles. Langsam fingen auch die anderen Angler ihre Fische und das Walkie Talkie meldete sich im Minutentakt. Die Wissenschaftler kamen gar nicht mehr damit hinterher, die vielen Barschfänge zu registrieren. 

Plötzlich sah ich Kleinfischschwärme aus dem Wasser spritzen, ein sicheres Zeichen für jagende Raubfische. Nun widmete ich mich der gegenüberliegenden Seite des Sees mit meiner neuen vertikalen Passivmethode, die seit jenem Tag fest in mein Repertoire als Raubfischangler gehört. Fast schon gähnend landete ich kurz darauf einen 51er und einen 57er Hecht. Neben all diesen schönen Barschen konnte ich nur müde über die kleinen Hechte lächeln. Für mich stand der Barsch schon immer auf Platz #1 meiner persönlichen Fisch-Hit-Liste! 




Oben links: 45er Barsch; oben rechts: 51er Hecht; unten: 57er Hecht.

Langsam wurde es dunkel und ich angelte nicht mehr so konzentriert wie am Anfang des Tages. Letztendlich konnte ich noch einen 25er und einen 27er Barsch als Abschluss ins Boot holen. Fische, die erst noch markiert werden mussten und zur normalen Fanggröße unserer überfischten Hauptstadtgewässer gehören. Als es kurz vor 19:00 Uhr komplett finster war, ging es zurück zur Forschungsstation. Wir bekamen ein Erinnerungsstück in Tassenform überreicht und füllten noch weitere Fragebögen aus.

Fangprotokoll des gesamten Angeltages - nach der Mittagspause ging es Schlag auf Schlag!

Dort erfuhr ich auch, dass ich den bisherigen Seerekord mit meinem Barsch aufgestellt hatte, was mich umso mehr freute. Doch auch ohne Rekordfisch wäre dieser Angeltag ein unvergessliches Erlebnis gewesen, wofür ich mich bei allen Beteiligten ganz herzlich bedanken möchte.

Bis zum 16.10.2015 hielt dieser Fisch wohl den Seerekord - hier sieht man einen der Wissenschaftler beim Vermessen. 

Die Ergebnisse dieser Studie werde ich zu gegebener Zeit und nach Rücksprache mit den Verantwortlichen auf meinem Blog verlinken!







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